Das riesige gelbe Monster kämpft sich geschickt durch den dichten Wald und bahnt sich seinen Weg. Meint man doch immer, die Natur sei unbesiegbar, muss ich sie in diesem Moment weichen und verlieren sehen. Der riesige Bulldowzer – oder Holzvollernter, wie man sie in der Fachsprache nennt – stemmt all seine Pferdestärken gegen die uralten Stämme der meterhohen Bäume, bis die ersten Wurzeln ihr Antlitz zeigen. Entkräftet, aber noch nicht entwurzelt, wird das ächzende Opfer noch einige Male vom zivilen Raubtier nach links und rechts geschüttelt und gibt letztendlich auf und stürzt mit einem lauten Krachen zu Boden. Schon macht sich der Fahrer der Waldmaschine auf zum nächsten Baum.
Wir fahren weiter und vor uns eröffnet sich eine riesige Lichtung. Auch hier standen vor wenigen Wochen noch hunderte Bäume – jetzt erinnern nur noch kurze Stämme, Reisig und Waldboden daran. Obwohl es eher wie eine Besichtigung eines Neubauprojekts erscheint, befinden wir uns auf einer Safari mitten in Südafrika, genauer gesagt im Lalibela Game Reserve in der Provinz Eastern Cape. Das Wildschutzgebiet zwischen Port Elizabeth und Grahamstown ist ein Großprojekt im Hinblick auf Naturschutz und Nachhaltigkeit. Ist es schon seit einigen Jahren eine Safari-Destination, musste Lalibela mit einigen Kontroversen kämpfen; unter anderem hieß es, die Besitzer hätten einige der ansässigen Tiere zum Abschuss für die Großwildjagd freigegeben. Petitionen folgten, die Jagd wurde gestoppt und seit 2016 befindet sich das Reservat im Besitz einer US-amerikanischen Ketchup-Dynastie und unter neuem Management.
Das Fällen tausender Bäume ist nur ein Teil eines ambitionierten Projekts, Lalibela zu dem zu machen, was ein Großteil Südafrikas einmal war: ein indigenes, pures Naturparadies. Wie in vielen Teilen des Landes wird auch die Landschaft des Ostkaps von sogenannter „Alien Vegetation“ (fremder Flora) bestimmt, darunter zum Beispiel eine Akazienart aus Australien, die sich explosiv vermehrt und einheimische Pflanzen verdrängt hat. Bis dato hat Lalibela 60 Prozent der Alien-Bäume gefällt und führt die Fällung bei Kosten von 400.000 ZAR pro Monat (ca. 27.000 Euro) fort. Bevor die ersten Siedler kamen, war das Eastern Cape gezeichnet durch scheinbar endlose, offene Savanne. Das langfristige Ziel ist, diese wiederherzustellen. Die Fläche des Reservats wurde verdoppelt und ein separater Teil wurde für die Aufzucht von bedrohten Tierarten geschaffen.
Apropos Tiere: Ähnlich wie mit den vegetativen Fremdlingen verhält es sich auch mit der Fauna in Lalibela. Auch wenn die Region ursprünglich Heimat zahlreicher Wildtiere war, sind viele der Arten aus reinen „Safari-Gründen“ angesiedelt worden. Lalibela geht sogar so weit und überlegt, die ansässigen Geparden – welche nicht indigen sind – umzusiedeln. Ob mit oder ohne grazile Großkatze, schon jetzt nennen tausende kleine und große Tiere das Schutzgebiet ihr Zuhause, darunter auch die „Big Five“; Löwe, Leopard, Elefant, Nashorn und Büffel. Wir hatten das Glück, auf dem Rückweg unserer Nachmittags-Pirschfahrt auf einen riesigen Elefantenbullen zu treffen. Die Dämmerung hatte den Busch schon in ein Theater aus schwarzen Silhouetten, mystischen Geräuschen und Düften gehüllt. Obwohl der graue Riese nur einen Meter von uns entfernt vorbeizog, konnte ich nur die Umrisse des weißen Golds seiner Stoßzähne, seiner Ohren und des gewaltigen Körpers erkennen. Vielleicht sah ich aber auch nur so begrenzt, weil ich mich aus Respekt in die Horizontale auf der Rückbank begeben hatte. Trotz mehrjähriger Safari-Erfahrung und Ranger-Ausbildung vergisst man solche Erlebnisse nicht und wird sich nie daran gewöhnen. Bei Tageslicht konnten wir Herden von Kuhantilopen, Zebras, Gnus und Giraffen beobachten. Ein einsamer, stolzer Büffel ließ uns in seine Nähe genau wie ein Nilpferd an Land, was tagsüber sehr selten ist. Lalibela hat den Tierbestand in den letzten Monaten durch Zukäufe signifikant erhöht und bemüht sich, mit der Zurückgewinnung der Savannen-Landschaft, großen Herden von Weidetieren und jagenden Raubtieren den Kreislauf Afrikas wieder zu schließen.
Je mehr Tiere, desto mehr Wissen über sie muss natürlich auch angehäuft werden. Das ist die Aufgabe der Ranger, die Gäste auf den täglichen Pirschfahrten begleiten und ihnen Flora und Fauna näherbringen. Lalibela beschäftigt zehn Naturführer, wovon acht bereits mit dem Siegel „Advanced“ der südafrikanischen Assoziation FGASA qualifiziert sind. Die anderen zwei befinden sich noch im Training, um das zweite Level der FGASA-Qualifikation zu erlangen. Neben der Aus- und Weiterbildung ihrer Ranger ist Lalibela besonders stolz auf seine neuen Unterkünfte für die Angestellten des Reservats. Komfortable, moderne Häuschen kommen mit fließend Wasser, Strom und bieten der gesamten Belegschaft ein Zuhause. Was für den Europäer normal sein mag, ist für viele Menschen in Südafrika immer noch ein großer Luxus – vor den Neubauten wohnten die Mitarbeiter in winzigen Steinhütten ohne Strom und Isolierung und mussten Wasser aus dem Brunnen holen.
Um Wasser geht es auch beim nächsten Projekt. Mithilfe von mehreren Anlagen wird das kostbare Nass – Südafrika durchlebt regelmäßige Dürrephasen – aus Lodges und Mitarbeiter-Unterkünften bis auf Trinkwasser-Niveau gereinigt und auf diverse Wasserlöcher im Reservat verteilt. So wird kein Wasser vergeudet und garantiert, dass Tiere auch in Trockenphasen eine Trinkquelle haben.
Auch wenn mein Besuch in Lalibela nur von kurzer Dauer war, war ich sehr beeindruckt von der Vision und Leidenschaft des neuen Managements und der neuen Besitzer. Ich selbst habe in der Lentaba Safari Lodge übernachtet, die erst kürzlich renoviert wurde. Die drei anderen Unterkünfte, Tree Tops, Mills Manor und Mark’s Camp, werden im Laufe von 2018 überholt. Seit kurzem gehört auch die Kichaka Lodge zur Lalibela Gruppe. Das Reservat bietet somit Optionen für Erholungssuchende, Hochzeitsreisende, Familien und Gruppen von Freunden zugleich. Im Moment ist noch viel zu tun, aber in einigen Jahren kann Lalibela zu einem äußerst attraktiven Safari-Ziel werden.
Hallo Matthias,
Dein Artikel war für mich sehr interessant , weil wir in 3 Wochen im Lalibela-Resort sind. Ich hoffe, wir sehen genug Tiere, da meine Enkelkinder schon sehr gespannt sind, welche Tiere sie zu sehen bekommen.
Liebe Grüße
Margret